
Behindertentestament: Gestalten, finanzielle Freiheit gewähren
Mithilfe der Errichtung eines Behindertentestaments sollen dem Erben mit Behinderung finanzielle Freiheiten über Sozialniveau gewährt und ein Rückgriff des Sozialhilfeträgers auf das geerbte Vermögen vermieden werden.
I. Behindertentestament
Menschen mit Behinderung benötigen Hilfe bei der Pflege oder sie leben gemeinsam mit anderen Menschen mit Behinderung in besonderen Wohnformen. Für die Beanspruchung dieser Leistungen können hohe Kosten anfallen, die von den Trägern der Sozialleistungen oder der Eingliederungshilfe – beispielsweise dem Landschaftsverband Rheinland (LVR) – getragen werden. Ohne die Errichtung eines Behindertentestaments muss sich der Erbe mit Behinderung seine Beteiligung am Nachlass auf die bezogene Leistungen anrechnen lassen.
1. Sozialrechtlicher Nachranggrundsatz
Im Sozialrecht gilt der sog. Nachranggrundsatz, § 2 SGB XII. Danach erhält Sozialhilfe nicht, wer sich vor allem durch Einsatz seiner Arbeitskraft, seines Einkommens und seines Vermögens selbst helfen kann. Dies führt dazu, dass eine Person mit Behinderung, die laufende Hilfe zum Lebensunterhalt durch Sozialleistungen oder Leistungen der Eingliederungshilfe erhält, Vermögenswerte die sie durch eine Erbschaft erlangt, zunächst verwenden muss. Der Träger der Sozialleistungen kann seine Zahlungen an den Erben mit Behinderung so lange entsprechend einstellen, bis dieser das geerbte Vermögen verbraucht hat. Erst im Anschluss werden dem Erben mit Behinderung die Leistungen wieder gewährt. Im Einzelfall sind zusätzliche Schonvermögensfreibeträge zu berücksichtigen, die eine Einstellung der Zahlung des Sozialleistungsträgers verhindern können. Beispielsweise beträgt das aktuelle Schonvermögen bei dem Bezug von Grundsicherung 10.000,00 Euro.
2. Gestaltungsziel des Behindertentestaments
Ohne die Errichtung eines Behindertentestaments kommt allein der Sozialleistungsträger in den Genuss der Erbschaft und nicht der Erbe mit Behinderung. Um dieses Ergebnis zu vermeiden, kann durch eine professionelle Beratung unter Ausnutzung der erbrechtlichen Gestaltungsmittel im Rahmen der Testamentsgestaltung ein Zugriff des Sozialleistungsträgers auf das geerbte Vermögen verhindert und dem späteren Erben mit Behinderung finanzielle Freiheiten über dem Sozialhilfeniveau eingeräumt werden. Die Ausgestaltung eines Behindertentestaments wird häufig auch als „Hohe Schule“ der Testamentsgestaltung bezeichnet, da beispielsweise folgende Regelungspunkte für die Errichtung des klassischen Behindertentestaments zwingend zu beachten sind:
- Der Erbe mit Behinderung muss in jedem Erbfall testamentarisch berücksichtigt werden.
- Die Vorerbschaft und Nacherbschaft ist für den Erben mit Behinderung anzuordnen.
- (Überleitfähige) Pflichtteilsansprüche sind zu vermeiden.
- Die Testamentsvollstreckung ist anzuordnen.
- Die Verwaltungsanordnungen sind für den Testamentsvollstrecker auszugestalten.
- Die Vermeidung der Erbschaft nach § 102 SGB XII.
Bei einem Behindertentestament erhält der Erbe mit Behinderung keinen direkten Zugriff auf das geerbte Nachlassvermögen. Er partizipiert beispielsweise an den Erträgen, die ein Testamentsvollstrecker im Rahmen einer Geldanlage erwirtschaftet. Damit können beispielsweise die Hobbys und Freizeitaktivitäten, Urlaube oder Geldgeschenke zum Geburtstag gefördert werden. Ein Zugriff auf die Substanz des Nachlassvermögens kann nur im Einzelfall möglich sein. Insoweit dient das Behindertentestament der langfristigen und nicht kurzfristigen Versorgung des Erben mit Behinderung.
3. Sittenwidrigkeit des Behindertentestaments
Als „Geburtsstunde“ des Behindertentestaments kann eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) aus dem Jahre 1993 angesehen werden. In dieser Entscheidung hat der BGH festgestellt, dass die klassische erbrechtliche Gestaltung des Behindertentestaments nicht sittenwidrig ist.
„Eine Verfügung von Todes wegen, mit der Eltern ihr behindertes, auf Kosten der Sozialhilfe untergebrachtes Kind nur als Vorerben auf einen den Pflichtteil kaum übersteigenden Erbteil einsetzen, bei seinem Tod ein anderes Kind als Nacherben berufen und dieses zum Vollerben auch des übrigen Nachlasses bestimmen, verstößt nicht gegen § 138 Abs. 1 BGB, auch soweit dadurch der Träger der Sozialhilfe Kostenersatz nicht erlangt.“
Vortrag von Herrn Rechtsanwalt Fast 25.11.2024 in der Irene-Sendler-Schule zum Thema Behindertentestament
II. Beratungsangebot
In der Regel wird das Behindertentestament von Eltern mit einem behinderten Kind errichtet. Die Beratungspraxis zeigt, dass häufig Rechtsirrtümer über die gesetzliche Erbfolge und die Möglichkeit des Zugriffs des Sozialleistungsträgers auf die Erbschaft des Menschen mit Behinderung bestehen. Eine sorgfältige Gestaltung des Behindertentestaments gewährt dem Menschen mit Behinderung die beschriebene finanzielle Freiheit neben dem Leistungsbezug. Die Beratung und Unterstützung von Familien bei der Errichtung eines Behindertentestaments ist für mich eine Herzensangelegenheit. Mit dem notwendigen Fingerspitzengefühl nehme ich mir die Zeit, um dieses sensible Thema mit Ihnen zu besprechen und Sie bei der Errichtung des Behindertentestaments beratend zu unterstützen. Gewähren Sie dem Erben mit Behinderung finanzielle Freiheiten über dem Sozialniveau.