
Gesetzliche Erbfolge
Die gesetzliche Erbfolge tritt ein, wenn die verstorbene Person keine Verfügung von Todes wegen (Testament oder Erbvertrag) hinterlassen hat. Sie regelt, wer in diesen Fällen erbt und mit welcher Erbquote. Dabei kennt das deutsche Recht drei Gruppen von gesetzlichen Erben: Die Verwandten, der Ehegatte bzw. eingetragene Lebenspartner sowie den Staat.
I. Verwandtenerbfolge
Die Verwandtenerbfolge wird durch die Einteilung in Ordnungen im Gesetz in ein Rangfolgeverhältnis gebracht.
- Erben der ersten Ordnung sind die Abkömmlinge des Erblassers (Kinder, Enkelkinder, Urenkelkinder usw.);
- Erben der zweiten Ordnung sind die Eltern des Erblassers und deren Abkömmlinge (Eltern, Geschwister usw.);
- Erben der dritten Ordnung sind die Großeltern des Erblassers und deren Abkömmlinge;
- Erben der vierten Ordnung sind die Urgroßeltern des Erblassers und deren Abkömmlinge;
- Erben der fünften Ordnung und der ferneren Ordnungen sind die entfernten Voreltern des Erblassers und deren Abkömmlinge.
Dieses Ordnungssystem wird durch sog. Stammes- und Liniensystem und das Repräsentationsprinzip ergänzt. Nach dem Stammesprinzip begründet jedes Kind des Erblassers als Stammvater oder Stammmutter einen neuen Stamm innerhalb der ersten Ordnung, zu dem alle seine Abkömmlinge gehören. Hingegen eröffnet jeder Elternteil des Erblassers eine Linie, zu der wiederum alle deren Abkömmlinge gehören (mütterliche und väterliche Linie). Durch das Repräsentationsprinzip wird bewirkt, dass innerhalb eines Stammes oder einer Linie die gradnächsten Verwandten den gradferneren Verwandten in der Erbfolge ausschließen.
Beispiel: Erbfolge der Verwandten erster Ordnung
Die Erblasserin E ist verstorben. Der Ehemann sowie die Tochter A sind bereits vorverstorben. A hat die zwei Kinder D und F. Weiter hinterlässt E eine nicht verheiratete Tochter B sowie einen verheirateten Sohn C, der einen Sohn G hat. Wer ist gesetzlicher Erbe geworden?
Nach § 1924 Abs.1 BGB sind gesetzliche Erben der ersten Ordnung die Abkömmlinge des Erblassers. Die Erblasserin E hat drei Kinder. Dazu tritt das gesetzliche Erbrecht des Ehegatten. Der Ehemann ist vorverstorben, womit er bei der Erbfolge keine Rolle spielt. Die Tochter B sowie der Sohn C sind gesetzliche Erben zu je ein Drittel geworden. Der Sohn G der C partizipiert an der Erbfolge nicht mit. Als Repräsentant seines Stammes schließt C als gradnäherer Verwandter den gradferneren Verwandten G von der Erbfolge aus. Bei der vorverstorbenen A treten die Kinder D und F zu je ein Sechstel an deren Stelle. Insoweit sind B und C als Abkömmlinge zu je ein Drittel sowie die D und F zu je ein Sechstel gesetzliche Erben geworden.
II. Gesetzliches Erbrecht des Ehegatten
Entgegen der Verwandtenerbfolge sind Ehegatten nicht miteinander verwandt. Daher enthält § 1931 BGB eigene Regeln für das gesetzliche Erbrecht des überlebenden Ehegatten. Das gesetzliche Erbrecht der Ehegatten setzt das Bestehen einer wirksamen Ehe voraus. Die Höhe der Erbquote ist davon abhängig, neben welchen Verwandten der Ehegatte erbt und in welchem Güterstand die Ehegatten lebten.
Der Umfang des gesetzlichen Erbrechts hängt zunächst davon ab, zu welcher Ordnung die erbenden Verwandten des Erblassers gehören (§ 1931 Abs. 1, 2 BGB), neben denen der überlebende Ehegatte erbt. Der überlebende Ehegatte des Erblassers erbt neben den Verwandten der ersten Ordnung zu ein Viertel. Neben den Verwandten der zweiten Ordnung oder neben den Großeltern die Hälfte. Sofern weder Verwandte der ersten Ordnung oder der zweiten Ordnung noch Großeltern vorhanden sind, erhält der überlebende Ehegatte die gesamte Erbschaft.
Neben dem Verhältnis zu den erbenden Verwandten bestimmt sich die erbrechtliche Stellung des Ehegatten danach, in welchem Güterstand die Ehegatten lebten. Das deutsche Recht kennt als Güterstände:
- die Zugewinngemeinschaft,
- die Gütertrennung sowie
- die Gütergemeinschaft.
Gütertrennung und Gütergemeinschaft können nur alternativ vorliegen, wenn sie von den Ehepartnern in einem notariellen Ehevertrag vereinbart worden sind. Ist ein Ehevertrag nicht vereinbart worden, gilt der gesetzliche Güterstand der Zugewinngemeinschaft.
III. Gesetzliches Erbrecht des Staates
Ist zur Zeit des Erbfalls kein Verwandter, Ehegatte oder Lebenspartner des Erblassers vorhanden, erbt das Land, in dem der Erblasser zur Zeit des Erbfalls seinen letzten Wohnsitz oder, wenn ein solcher nicht feststellbar ist, seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Im Übrigen erbt der Bund, § 1936 BGB.
Umfassende Kenntnisse des gesetzlichen Erbrechts sind grundsätzlich Voraussetzung für eine gute Beratung des Mandanten in nahezu sämtlichen erbrechtlichen Fällen. Die tägliche Beratungspraxis zeigt, dass die gesetzliche Erbfolge nur in den seltensten Fällen die gewünschte Erbfolge der von mir beratenden Mandanten enthält. Der Wille sowie die Wünsche sind so individuell, dass diese nur im Rahmen einer Testamentsgestaltung Berücksichtigung finden können. Jeder meiner Testamentsentwürfe ist so individuell, wie der dahinter stehende Mensch.